Zeit für die Zukunft
Das gewerkschaftsübergreifende Vorbild-Projekt Arbeit 2020 unter der Leitung der IG Metall zieht Bilanz. In mehr als 90 Betrieben konnten die beteiligten Gewerkschaften IG Metall, IG BCE Nordrhein, NGG ,IG BAU und DGB NRW den digitalen Wandel gestalten – und dabei die Beschäftigten im Betrieb mitnehmen. Lob gibt es von Betriebsräten, Beschäftigten und dem Arbeitsminister Laumann.
Der Ort für die Veranstaltung „Zeit für die Zukunft“ war gut gewählt: Einst wurden hier im Mönchengladbacher Montforts-Quartier, einem historischen Backstein-Industrie-Gebäude aus dem späten 19. Jahrhundert, Textilmaschinen gebaut – und gerade die Textilindustrie hat in Deutschland einen gewaltigen Wandel hinter sich. Zwischendurch war sie beinahe gestorben, nahezu gänzlich nach Fernost verschwunden; mittlerweile erleben Textilien made in Germany eine kleine Renaissance – weil sich die Industrie modernisiert und spezialisiert hat, etwa auf High-Tech-Textilien für die Autoindustrie. Ein guter Ort also um über den Wandel zu reden, der auch jetzt wieder vor der Tür steht, in der kompletten deutschen Industrie, ganz gleich ob Elektroindustrie, Stahl, Maschinenbau, Auto, Chemie, Bau und Ernährungsindustrie – überall kommt er mit Wucht, dieser Wandel. Er kommt mit der Digitalisierung daher, mit neuen Produktionsmethoden, er bringt neue Berufsbilder, er ändert die Arbeitswelt grundlegend. Diese Veränderungen zu gestalten, die Betriebsräte fit zu machen für diese Transformation und die Beschäftigten in den Betrieben dabei mitzunehmen, sie mitgestalten zu lassen und den Dialog mit den Unternehmensleitungen zu führen – das war die Aufgabe des Projekts Arbeit 2020, das jetzt nach sechsjähriger Dauer beendet wurde.
Veranstaltung "Zeit für die Zukunft" von Arbeit2020+ am 18.11.2021 in Mönchengladbach. Fotos: Range
Es war also Zeit, Bilanz zu ziehen: Rund 140 Beteiligte dieses Projektes waren bei der Abschlussveranstaltung in der historischen Kulisse in Mönchengladbach vor Ort oder per Video zugeschaltet, um einen Blick zurück zu werfen – und zugleich einen Blick nach vorne. Was hat das Projekt Arbeit 2020 gebracht? Und was bringen uns die Erkenntnisse aus dem Projekt für die Zukunft? In mehr als 90 Betrieben in Nordrhein-Westfalen wurden im Rahmen des Projekts Veränderungen angestoßen oder begleitet, immer mit einer klaren Absicht: Der Wandel soll nicht über die Köpfe der Menschen in den Betrieben hinweg geschehen. Sie sollen im Gegenteil im Mittelpunkt stehen. Schließlich geht es um ihre Arbeit und damit um ihre Zukunft.Diese Beteiligung zu garantieren, sie zu gestalten, und zwar in einer sozialpartnerschaftlichen Kooperation von Betriebsrat und Geschäftsführung – das war der Ansatz von Arbeit 2020. Denn um die Veränderungen stemmen zu können, braucht es auf beiden Seiten „ein gemeinsames Verständnis“, erklärte Jaap van Iperen, Geschäftsführer von Ruhrpumpen Witten. Projektleiterin Gabi Schilling von der IG Metall erklärt, warum die Transformation eine gute Begleitung braucht: „Vielfach sind die Auswirkungen auf Arbeit und Beschäftigung komplex, und Betriebsräte sind dankbar für Unterstützung und Sortierung.“
Daniel Wollny, Betriebsratsvorsitzender bei dem Maschinenbauer und Walzanlagenhersteller Achenbach Buschhütten im siegerländischen Kreuztal, bestätigt dies. Das Projekt „hat uns die Augen geöffnet für unseren Status quo in Sachen Digitalisierung“, sagte er. Besonders geholfen habe dabei die Betriebslandkarte, betonte er. Die Betriebslandkarte ist das zentrale Instrument von Arbeit 2020. Auf dieser Landkarte können Betriebsräte eintragen, wie der Stand der Digitalisierung im Betrieb ist; wo bereits Veränderungen stattgefunden haben und wie stark sie in welchen Abteilungen noch ausfallen werden. Diese Analyse hilft anschließend dabei, die richtigen weiteren Schritte zu gehen. Diese Schritte wurden in vielen Betrieben dann in einer Zukunftsvereinbarung festgehalten. Beide Seiten setzten ihre Unterschrift darunter.
Gefördert wurde Arbeit 2020 von der nordrhein-westfälischen Landesregierung, es war „ein zentrales Projekt des Arbeitsministeriums der vergangenen Jahre“, erklärte Landesarbeitsministerium Karl-Josef Laumann in seinem Grußwort, das per Videobotschaft eingespielt wurde. Das Projekt habe gezeigt, dass Veränderungen in den Betrieben gelingen können, wenn „wir die Kolleginnen und Kollegen auf diesem Veränderungsweg mitnehmen“, sagte der Minister. Denn wenn die Beschäftigten Veränderungen nicht verstünden, „dann haben sie vor jeder Veränderung Angst“, sagte Laumann, und dann bekomme man am Ende nichts hin im Betrieb. Die IG Metall aber habe Einiges hinbekommen, lobte Laumann, das Projekt Arbeit 2020 habe sich ja sogar in Tarifverträgen niedergeschlagen.
Tatsächlich hat das erfolgreiche Projekt längst Kreise gezogen. In ihrem jüngsten Tarifabschluss für die Metall- und Elektroindustrie hat die IG Metall die Erfahrungen aus Arbeit 2020 zur Grundlage genommen, um eine völlig neue Form von Tarifverträgen möglich zu machen: In so genannten Zukunftstarifverträgen können die Sozialpartner und Betriebsparteien auf betrieblicher Ebenen Vereinbarungen nach dem Vorbild von Arbeit 2020 treffen. Das Projekt Arbeit 2020 war so erfolgreich, dass es längst auch in anderen Regionen Deutschlands nachgemacht wird. „Wir waren hier in NRW einmal mehr Vorreiter, und darauf sind wir auch ein Stück weit stolz“, erklärt Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall NRW.
Wie also fällt das Fazit aus nach sechs Jahren Arbeit 2020? „Wir haben viel gelernt, auch über die Digitalisierung“, erklärte Minister Laumann und betonte: „Es stehen weitere Veränderungen an, wenn ich etwa an den Klimawandel denke“. Auch für diese gewaltigen Veränderungen und ihre Gestaltung könne „das Projekt 2020 eine gute Blaupause“ sein.